Prokrastination überwinden: Was bei “Aufschieberitis” hilft

Prokrastination steht für das chronische Verschieben unbeliebter Arbeiten. Das etwas sperrige Wort hat seinen Ursprung im Lateinischen: ”procrastinatio” bedeutet ”Vertagung auf morgen”. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Schon die alten Römer haben sich vor bestimmten Aufgaben gedrückt. Ein offenbar zutiefst menschliches Verhalten, das auch heute weit verbreitet ist. Die große Mehrheit schiebt also Aufgaben vor sich her. Das ist im Prinzip kein Problem, kann es aber werden, wenn sich unangenehme Gefühle wie Anspannung und schlechtes Gewissen einstellen – oder es im Job Probleme gibt, weil die Arbeit leidet. Wie sich Prokrastination zeigen kann und welche Wege es gibt, aus dem Teufelskreis der Aufschieberei und ins Tun zu kommen, stellen wir Dir hier vor.

Inhalte im Überblick

  1. Prokrastination: Symptome
  2. Prokrastination: Ursachen
  3. Prokrastination überwinden
  4. Die Pomodoro-Technik
  5. Konkrete Ziele formulieren statt zu prokrastinieren
  6. An Pausen denken
  7. Digital Detox: Ablenkungen vermeiden

Prokrastination: Symptome

Das Bad müsste geputzt werden? Keine Lust. Die Steuererklärung ist fällig? Kompliziert und zeitraubend. Eine Prüfung steht an? Morgen ist auch noch ein Tag. Jeder hat schon mal Dinge vor sich hergeschoben. Von Prokrastination sprechen Psycholog:innen erst dann, wenn dieses Verhalten zur Gewohnheit wird und die Betroffenen daran hindert, persönliche Ziele in einer absehbaren Zeit zu Ende zu bringen. Prokrastination ist keine Krankheit im eigentlichen Sinn, kann aber als Teil einer psychischen Störung wie einer Depression auftreten.

Letztlich ist Prokrastination eine Form von Selbstsabotage, die uns von unseren Zielen abhält, in dem wir immer größere Umwege gehen. Wenn dieses Verhalten selbstschädigende Ausmaße annimmt, können folgende Symptome auftreten:

  • Angst
  • Schlechtes Gewissen, Scham
  • Innere Unruhe
  • Anspannung
  • Hilflosigkeit
  • Schlafstörungen
  • Stresssymptome: Muskelverspannungen, Magen-Darm-Probleme
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Prokrastination: Selbsttest

Handelt es sich um normale Aufschieberei oder um ein chronisches Verhaltensmuster mit negativer Auswirkung auf das Leben der Betroffenen? Die ProkrastinationsPraxis der Freien Universität Berlin und die Prokrastinationsambulanz der Universität Münster haben anonyme Online-Selbsttests entwickelt, die aufzeigen, ob man zum Prokrastinieren neigt. Nach dem Ausfüllen der Fragebögen erhalten die Teilnehmer:innen eine individuelle Rückmeldung, die bei der Einordnung des eigenen Verhaltens hilft.

Prokrastination: Ursachen

Häufig stecken Stress und Überforderung hinter der Prokrastination. Gerade berufstätige Eltern müssen den Spagat zwischen Arbeit, Haushalt und Kinderbetreuung meistern und wissen oft nicht, wo ihnen der Kopf steht. Das Gefühl entsteht, ständig hinter allem herzuhinken und auch nur ansatzweise das zu schaffen, was man sich vorgenommen hat. Dieses permanente Gefühl der Überforderung kann in eine seelische und körperliche Erschöpfung münden. Dann ist der nächste Schritt oft vorprogrammiert: Wir lassen Dinge schleifen oder vermeiden sie. Also kann eine Art Blockade entstehen. Man lenkt sich mit schönen Dingen ab, anstatt weiter die nicht enden wollenden Aufgaben abzuarbeiten.

Auch wichtige Prüfungen, umfangreiche Abschlussarbeiten oder Präsentationen verursachen oft Stress und können Versagensängste auslösen, die unseren Flucht- oder Angriffsmechanismus aktivieren. Diese Stressreaktion ist evolutionsbiologisch begründet und hat unsere Neandertaler-Vorfahren vor Gefahren beschützt. Im modernen Leben können wir aber nicht vor Prüfungen davonlaufen. Das Drücken vor der Vorbereitung kann ebenfalls als eine Art Flucht betrachtet werden. Leider werden so der Druck und die Anspannung immer größer – und auch das Chaos im Kopf, weil das Gehirn bei Stress leidet.

Prokrastination überwinden

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Ebenso wie bestimmte Projekte, die auf den ersten Blick unübersichtlich erscheinen, bei genauerem Hinsehen durchaus schaffbar sind. Um durch das Dickicht der alltäglichen Verpflichtungen, Pläne und Aufgaben durchzusteigen, ist vor allem eins wichtig: Sich hinsetzen und in Ruhe überlegen, was alles zu tun ist.

Überblick verschaffen

Was steht in Deinem Alltag alles an? Um sich einen Überblick zu verschaffen, sollte man zuerst alles notieren: Feste Termine, Projekte und Aufgaben. Das kann im ersten Schritt ungeordnet sein. Es geht erstmal darum, den Kopf frei zu machen. Denn je weniger unser Gehirn damit beschäftigt ist, innerlich an alles zu denken, desto mehr entlasten wir es. Und so spukt auch nicht die Angst im Kopf herum, etwas zu vergessen.

Im zweiten Schritt ordnest Du alle Punkte in Kategorien ein. Das erleichtert Dir den Überblick. Du kannst zum Beispiel die Kategorien Termine, Aufgaben und Projekte nennen. Unter Termine fallen etwa Arzttermine, die regelmäßige Yogastunde oder der Musikunterricht der Kinder. Zu Aufgaben zählen im weitesten Sinn Alltagsverpflichtungen wie Vereinbarungen von Terminen oder das Auto in die Waschanlage fahren. Bei den Aufgaben empfiehlt es sich, sie in weitere Kategorien einzuteilen, zum Beispiel Haushalt oder Garten. Am anspruchsvollsten ist die Kategorie Projekte und Ziele, die eine umfangreichere Planung erfordern.

Das Prinzip der kleinen Schritte

Wenn Du Dir einen Überblick verschafft hast, was alles zu erledigen ist, bekommen nicht wenige einen Schreck. Um nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange zu stehen, hilft ein einfacher Trick: das Anlegen einer To-Do-Liste. Dabei solltest Du Prioritäten setzen. Was ist wichtig und was ist weniger wichtig? Die Steuererklärung pünktlich abzugeben oder die Heizung zu entstauben? Eine rhetorische Frage, denn die meisten wissen sehr gut, welche Aufgaben dringend sind und welche noch später erledigt werden können.

5-Minuten-Durchblick

Gerade bei der Arbeit wachsen einem die Aufgaben schnell über den Kopf. Dann hilft es, sich am Morgen fünf Minuten Zeit zu nehmen und die beiden wichtigsten Aufgaben herauszusuchen, die für diesen Tag anstehen – und danach erstmal nur diese abzuarbeiten. Viele glauben, sie hätten dafür keine Zeit, morgens den Arbeitstag zu priorisieren. Das ist aber ein Trugschluss. Wer den Überblick behält, ist schneller und effektiver.

Die Pomodoro-Technik

Gerade wer im Homeoffice arbeitet oder sich als Student:in selbst organisieren muss, weiß, wie schnell an jeder Ecke Ablenkungen lauern. Anstatt sich an den Vortrag zu setzen, wird “mal eben schnell” das Küchenfenster geputzt. Eine clevere Methode, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren und abzuarbeiten, hat sich der italienische Unternehmer Francesco Cirillo ausgedacht. Er unterteilt die Arbeitszeit in kurze Abschnitte. Das heißt konkret: 25 Minuten Arbeiten, fünf Minuten Pause. Dieser Rhythmus wird für zwei Stunden beibehalten, dann erfolgt eine 30-minütige Pause.

Mit der Pomodoro-Methode schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Überwindung, sich 25 Minuten einer Aufgabe zu widmen, ist überschaubar – das hilft anzufangen, anstatt sich mit etwas anderem abzulenken. Darüber hinaus hilft diese Methode, konzentriert zu arbeiten. Am besten stellst Du Dir einen Wecker auf 25 Minuten und entscheidest, Dich in dieser Zeit ausschließlich Deiner Arbeit zu widmen.

Diese Konzentration auf eine Aufgabe ist übrigens auch wesentlich effektiver als das weitverbreitete Multitasking, wie Hirnforscher herausgefunden haben. Wer ständig zwischen den Aufgaben springt, muss sich jedes Mal neu fokussieren – das kostet Zeit und erschöpft unser Gehirn. Eins nach dem anderen zu erledigen, spart Energie und schafft schnelle Erfolgserlebnisse – und die beflügeln uns, am Ball zu bleiben.

Konkrete Ziele formulieren statt zu prokrastinieren

“Ich will abnehmen“, “Ich entrümple meinen Keller”, “Ich möchte den Job wechseln”: Sich über eigene Wünsche und Ziele klarzuwerden, hilft, sie umzusetzen. Allerdings scheuen viele vor der Umsetzung zurück, weil der Aufwand zu groß erscheint – oder weil der Wunsch vage bleibt. Hier hilft es, sich den Wunsch genau anzuschauen und in konkrete Etappen einzuteilen. Beispiel Keller entrümpeln. Hört sich einfach an, aber wo soll man anfangen?

Ein Weg zum Erfolg besteht darin, kleine Schritte einzuplanen und diese kontinuierlich abzuarbeiten. Beim zugemüllten Keller könnte dies so aussehen:

  • Alle Gegenstände im Keller sichten.
  • Eine Liste erstellen, welche Gegenstände wegkönnen.
  • Sperrmüll-Termin bei der Stadtreinigung vereinbaren.
  • Kleinere Dinge oder Sondermüll zum Recyclinghof fahren.
  • Sperrmüll zum vereinbarten Termin abtransportieren lassen.

Wenn Du große Aufgaben in überschaubare Teilaufgaben zerlegst, werden sie machbar und verlieren ihre einschüchternde Wirkung. Dann musst Du Dich nicht mehr so überwinden, Dein Vorhaben anzugehen.

An Pausen denken

Genauso wichtig wie die privaten und beruflichen Verpflichtungen sind auch regelmäßige Pausen. Denn sie sind entscheidend für eine ausgewogene Balance zwischen Belastung und Entspannung. Nur so vermeidest Du seelische und körperliche Erschöpfung. Regelmäßige Pausen- und Pufferzeiten beugen Prokrastination vor und helfen, unnötige Ablenkungen während der Arbeit zu vermeiden. Anstatt zum Beispiel digital abzuschweifen, baue eine kleine Aktivität ein. Gehe von Deinem Computer weg, stöbere ein bisschen herum, koche Dir eine Tasse Tee oder mache einen Spaziergang. Wenn wir unseren Geist kurz abwenden, besteht eine gute Chance, danach konzentrierter weiterarbeiten zu können.

Für eine gute Work-Life-Balance sind also regelmäßige Erholungspausen wichtig. Aber oft achten wir nicht genug darauf, sodass sich unsere Akkus über kurz oder lang leeren – und dann wächst einem die Arbeit über den Kopf. Eine kleine Geschichte illustriert dieses Verhalten: Ein Mann spaziert durch einen Wald und trifft dort auf einen Holzfäller, der mühsam versucht, mit seiner stumpfen Axt einen Baum zu fällen. Der Mann tritt an ihn heran und fragt: “Ihre Axt ist ja ganz stumpf. Warum schärfen Sie sie denn nicht?” Darauf antwortet der Arbeiter: “Dafür habe ich keine Zeit, ich muss doch den Baum fällen!” Das eigentliche Wichtige wird verschoben. Deshalb: Pausen einhalten.

Digital Detox: Ablenkungen vermeiden

Noch nie ist es so leicht gewesen, sich abzulenken wie heute. Durch die Digitalisierung haben wir Zugriff auf alle möglichen Social-Media-Kanäle, Streamingdienste, Medienplattformen und Online-Shops: rund um die Uhr und immer verfügbar. Und dafür muss man noch nicht mal seinen Platz verlassen, einfach das Handy schnappen und scrollen. Und schon wieder ist eine halbe Stunde verstrichen.

Wer zum Aufschieben neigt, versucht oft auf diese Weise ein bisschen Entspannung zu bekommen. Die digitalen Zeitfresser sind leider in den allermeisten Fällen kontraproduktiv. Hier ein paar Tipps, wie Du es schaffst, Dich nicht im digitalen Strudel zu verlieren:

  • Push-Benachrichtigungen deaktivieren: Besonders nervig sind die Signaltöne eingehender Nachrichten. Sie stören die Konzentration und reißen uns aus der Gegenwart.
  • Armbanduhr tragen: Wir haben uns angewöhnt, auch die Uhrzeit mit dem Handy zu checken – nur einen Fingertipp von der nächsten App entfernt. Wer eine Uhr trägt, trickst diesen Reflex aus.
  • Nicht ständig erreichbar sein: Bei dem Ausarbeiten der Präsentation geht es nicht so richtig voran? Viele checken dann zwischendurch ihre E-Mails oder scrollen durch den Social-Media-Account. Und schon klebst Du länger am Bildschirm, als Du eigentlich wolltest. Idealerweise vermeidest Du diese Art der Ablenkung und richtest feste Zeiten ein, in denen Du Deine E-Mails bearbeitest.
  • Digitale Pausen einlegen: Bildschirmfreie Phasen tun gut. Wem es schwerfällt, die Bildschirmzeit generell zu verkürzen, kann bewusst digitale Pausen einlegen, zum Beispiel sich eine zeitlich begrenzte Handy-Abstinenz verordnen.
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