Lebensmittelallergie: Bin ich betroffen?
Etwa jeder dritte Erwachsene hat eine oder mehrere Allergien, Tendenz steigend. Anders als viele Menschen denken, sind Allergien gegen Nahrungsmittel jedoch relativ selten. Laut Robert Koch Institut (RKI) reagieren weniger als 4 Prozent der Menschen in Deutschland überempfindlich auf Lebensmittel. Oft stecken hinter Beschwerden, die nach dem Essen auftreten, andere Ursachen: Reizdarm, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Stress sind häufiger der Auslöser.
Inhalte im Überblick
- Allergie oder Unverträglichkeit – Was ist der Unterschied?
- Zöliakie – Sonderform der Lebensmittelallergie?
- Welche Lebensmittelallergien gibt es?
- Was ist eine Kreuzallergie?
- Symptome einer Lebenesmittelallergie
- Anaphylaktischer Schock – Was tun?
- Diagnose – Gegen welche Lebensmittel bin ich allergisch?
- Lebensmittelallergie: Ursachen und Prävention
- Behandlung von Nahrungsmittelallergien
- Hilft eine Hyposensibilisierung?
Nahrungsmittelallergie und Nahrungsmittelunverträglichkeit – Was ist der Unterschied?
Im täglichen Sprachgebrauch benutzt man die beiden Begriffe oft synonym. In der Medizin handelt es sich aber um unterschiedliche Erkrankungen, bei denen verschiedene Mechanismen im Körper ablaufen.
Allergie
Eine Allergie entsteht, wenn das Immunsystem überempfindlich auf einen harmlosen Fremdstoff reagiert, wie etwa den Eiweißbestandteil einer Apfelschale. Es produziert Antikörper und aktiviert die Mastzellen, das sind Immunzellen, die Histamin ausschütten und dadurch Anzeichen von Entzündungen hervorrufen können: z. B. Schwellungen oder Rötungen.
Nahrungsmittelunverträglichkeit (Nahrungsmittelintoleranz)
Bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist das Immunsystem in der Regel nicht beteiligt. Stattdessen verläuft die Verdauung oder Verarbeitung der Nahrung nicht optimal ab. Bei der Laktoseintoleranz beispielsweise kann unser Körper kein oder nicht ausreichend von dem Enzym Laktase herstellen. Dieses ist aber nötig um den Milchzucker Laktose zu spalten. Ohne diese Spaltung passt der Zucker nicht durch die Wand des Dünndarms und gelangt nicht in unseren Körper. Stattdessen wandert der Zucker weiter in unseren Dickdarm, den Ort, wo das Darmmikrobiom sitzt. So nützlich die dortigen Bakterien und Pilze für unsere Gesundheit sein können, so sehr können sie uns auch Bauchschmerzen bereiten, wenn sie an Zucker kommen, denn dann produzieren sie Gase. Wir merken das z. B. als Blähungen und Bauchschmerzen.
Die häufigsten Nahrungsmittelintoleranzen sind, neben der Laktoseintoleranz, die Fruktoseintoleranz und die Histaminintoleranz.
Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) – eine Sonderform der Lebensmittelallergie?
Die Zöliakie ist medizinisch betrachtet weder eine Unverträglichkeit, noch eine Allergie. Zunächst entwickelt sich eine Zöliakie ähnlich wie eine Allergie, denn das Immunsystem reagiert überempfindlich auf Gluten, das Klebereiweiß in Weizen und einigen anderen Getreidesorten. Das Immunsystem bildet daraufhin aber nicht nur Antikörper gegen Gluten, sondern auch gegen Bestandteile der Dünndarmschleimhaut. Eine Zöliakie wird darum als Autoimmunerkrankung klassifiziert. Entzündungen und ein Rückgang der Darmschleimhaut sind die ersten Folgen, aus denen sich viele weitere Symptome ergeben.
Welche Lebensmittelallergien gibt es?
Grundsätzlich kann jedes Nahrungsmittel eine Allergie auslösen. Da bei einer Lebensmittelallergie bereits kleinste Mengen eine heftige Reaktion auslösen können, ist es in Deutschland und anderen EU-Ländern Pflicht, die 14 häufigsten Auslöser von Lebensmittelallergien als Zutaten zu kennzeichnen. Auf Verpackungen sind diese Zutaten meist gefettet und in Speisekarten als Sternchen markiert.
Die häufigsten Auslöser sind:
- Glutenhaltiges Getreide
- Krebstiere
- Eier
- Fische
- Erdnüsse
- Sojabohnen
- Milch
- Schalenfrüchte („Nüsse“)
- Sellerie
- Senf
- Sesamsamen
- Schwefeldioxid und Sulfite (ab 10 Milligramm pro Kilogramm / pro Liter)
- Lupinen
- Weichtiere (z. B. Schnecken und Muscheln)
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) reagieren Säuglinge und Kleinkinder am häufigsten auf Nahrungsmittel wie Kuhmilch, Hühnerei, Weizen, Erdnüsse und Soja.
Jugendliche und Erwachsene scheinen hingegen eher eine Allergie gegen Nüsse, Obst und Gemüse, Soja, Weizen, Krebs- und Weichtiere zu entwickeln. Sie entstehen oft aus einer Kreuzallergie zu Pollen heraus.
Was ist eine Kreuzallergie?
Wenn Allergene (Fremdstoffe) sich ähnlich sind, kann das Immunsystem sie manchmal nicht unterscheiden und reagiert auch mit den ähnlichen Allergenen. Wer beispielsweise gegen Birkenpollen allergisch reagiert, kann mitunter auch auf Soja, Mandeln, rohe Äpfel, Kirschen oder Aprikosen reagieren.
Welche Symptome löst eine Lebensmittelallergie aus?
Sowohl die Art, als auch die Stärke der Symptome kann stark variieren und je nach Person und Allergie verschieden sein. Einfluss haben u. a. die familiäre Veranlagung, das Alter und die Lebensumstände.
Obwohl die Auslöser Nahrungsmittel sind, können auch Organe außerhalb des Verdauungssystems von der allergischen Reaktion betroffen sein. Überraschender Weise sind Symptome im Magen-Darm-Bereich wie Übelkeit oder Bauchkrämpfe eher selten. Deutlich häufiger zeigen sich Allergien im Mund-Rachen-Raum oder auf der Haut:
- Schwellungen der Lippen und Mundschleimhaut
- Juckendes oder brennendes Gefühl im Mund
- Juckender Ausschlag am ganzen Körper
- Hautrötungen mit Hitzegefühl im Gesicht
Auch laufende Nasen sowie Heiserkeit, Niesen und Husten sind bei Lebensmittelallergie nicht selten.
In schweren Fällen kann es bei einer allergischen Reaktion zu Atemnot und Blutdruckabfall bis hin zu einem anaphylaktischen Schock kommen.
Lebensmittelallergien zählen zum Soforttyp. Die Symptome treten in der Regel innerhalb weniger Sekunden bis zu zwei Stunden nach dem Kontakt mit dem Lebensmittel auf. Aber auch Reaktionen von bis zu sechs Stunden später sind möglich.
Gut zu wissen: Faktoren wie Stress, körperliche Anstrengung, Medikamente, Infekte oder Alkohol können Symptome verstärken.
Anaphylaktischer Schock – Was tun?
In seltenen Fällen können Nahrungsmittel einen anaphylaktischen Schock auslösen. Insbesondere bei Erdnüssen, Sellerie und Schalentieren ist das Risiko erhöht. Der anaphylaktische Schock ist die schwerste Form einer allergischen Reaktion und kann lebensbedrohlich verlaufen: von Atemnot und Kreislaufkollaps bis im Extremfall zu Atemstillstand und Herzstillstand. Schnelles Handeln ist darum wichtig:
- Hat die betroffene Person ein Notfallset dabei, kann man ihr bei Bedarf helfen, die darin enthaltenen Medikamente anzuwenden.
- Rettungsdienst anrufen: 112.
- Hat die Person keine Atemprobleme, bringt man sie am besten in die Schocklage: Beine hoch und Oberkörper tief. So erleichtert die Gravitation die Durchblutung lebenswichtiger Organe.
- Hat die Person Atemprobleme, sollte man sie mit dem Oberkörper möglichst aufrecht setzen.
- Ist die Person bewusstlos, ist die stabile Seitenlage die beste Wahl.
- Sofern die Person bei Bewusstsein ist, versuche, sie zu beruhigen.
- Überprüfe Puls, Blutdruck und Atmung und wende bei Herz-Kreislauf-Stillstand Wiederbelebungsmaßnahmen an.
Wie finde ich heraus, gegen welche Lebensmittel ich allergisch bin?
Damit man nicht unnötig auf bestimmte Lebensmittel verzichtet, ist es sinnvoll, bei Verdacht auf Allergien (oder Unverträglichkeiten) ein Ernährungstagebuch zu führen und / oder sich testen zu lassen.
Ernährungstagebuch
Schreibe für eine Weile jeden Tag auf, zu welcher Uhrzeit Du welche Lebensmittel gegessen und was Du getrunken hast. Ziehe Dir daneben eine Spalte und schreibe dort auf, zu welcher Uhrzeit Du Symptome bemerkst. Das kann Dir helfen, herauszufinden, ob Deine Beschwerden einem bestimmten Muster folgen.
Hast Du eine Vermutung? Lasse dieses Lebensmittel ein paar Tage weg und beobachte, ob Deine Symptome zurückgehen und wegbleiben.
Beachte, dass der Auslöser von Verdauungsbeschwerden keine Nahrungsmitteallergie oder Unverträglichkeit sein muss. Ein Beispiel: Findest Du die Imbissbude vor dem Büro unhygienisch, aber weil die Kolleg:innen hingehen, gehst Du mit? Ekel ist eine der möglichen Ursachen für den Ausbruch von Herpes, Übelkeit oder Magenschmerzen.
Notiere Dir darum am besten auch andere Faktoren, die beim Essen eine Rolle gespielt haben, z. B.: Wo warst Du essen? Waren die Lebensmittel roh oder erhitzt? Hattest Du Stress?
Hauttest
Bei einem Hauttest bringen Ärzte oder Ärztinnen mögliche allergieauslösende Stoffe (Allergene) mit verschiedenen Verfahren auf die Haut. Beim Pricktest ritzt man die Haut leicht an und gibt die Allergene mit einer Pipette darauf. Reagiert der Körper mit einer Rötung an einer dieser Stelle, ist der Allergietest für dieses Nahrungsmittelallergen positiv.
Bluttest
Mithilfe einer Blutuntersuchung lässt sich feststellen, ob der Spiegel an IgE-Antikörpern gegen ein spezifisches Allergen, z. B. ein Haselnusseiweiß, erhöht ist.
Oraler Provokationstest
Wenn Du einen konkreten Verdacht hast, kannst Du unter ärztlicher Kontrolle eine kleine Menge des Lebensmittels zu Dir nehmen. Der Arzt oder die Ärztin prüft dann, ob sich eine allergische Reaktion entwickelt und kann im Fall einer heftigen Reaktion direkt Gegenmaßnahmen einleiten.
Hinweis: Der Blut- und der Hauttest können zwar eine Allergie diagnostizieren, ob Deine erlebten Symptome aber mit dieser Allergie zusammenhängen oder eine andere Ursache haben, kann erst eine Eliminationsdiät, also das Weglassen des Lebensmittels, bestätigen.
Ursachen und Prävention von Lebensmittelallergien
Die Ursachen von Allergien sind bis heute noch nicht vollständig geklärt. Sowohl familiäre Veranlagung wie auch Umweltfaktoren (z. B. ein Übermaß an Hygiene) scheinen die Fehleranfälligkeit des Immunsystems zu beeinflussen.
Studien konnten zeigen, dass Menschen seltener an Allergien leiden, wenn sie
- Nach der Geburt 4-6 Monate gestillt wurden
- Nicht rauchen und in rauchfreien Wohnungen leben
- Die Hausstaubbelastung in ihrer Wohnung gering halten
- Es mit der Hygiene nicht übertreiben
- Selten bis nie Fertigprodukte essen
Behandlung von Nahrungsmittelallergien
Die beste Therapie besteht darin, die allergieauslösenden Lebensmittel komplett zu meiden. Das ist allerdings nicht immer einfach. Die Eleminationsdiät sollte darum idealerweise mit einer Ernährungsfachkraft besprochen werden, die sich auf Lebensmittelallergien spezialisiert hat. So können Diätfehler und Nährstoffmangel vermieden werden. Es gilt: So viel Verzicht wie nötig und so viel Genuss wie möglich.
Wer bei seiner:ihrer Allergie schwere Symptome gezeigt hat, bekommt von der Ärztin oder dem Arzt meist ein Notfallset. Es enthält üblicherweise vier Medikamente:
- Ein Antihistaminikum
- Ein Präparat mit Kortison
- Ein Präparat mit Adrenalin
- Ein Spray, dass die Bronchien erweitern kann
Treten Allergien im Kindesalter auf oder sind die Beschwerden mild, besteht die Chance, dass sich die Allergie mit den Jahren verläuft. Es kann darum sinnvoll sein, sich alle paar Jahre erneut zu testen.
Allergien, die sich erst im Erwachsenenalter entwickelt haben, bleiben meist ein Leben lang bestehen, insbesondere gegen Nuss, Fisch und Krebstiere.
Hilft Hyposensibilisierung bei einer Lebensmittelallergie?
Die Hyposensibilisierung, umgangssprachlich Desensibilisierung genannt, ist bislang die einzige Möglichkeit, direkt an der Ursache der Allergie anzusetzen. Durch sie kann man dem Immunsystem beibringen, auf den allergieauslösenden Fremdstoff nicht mehr zu überreagieren.
Wie funktioniert die Hyposensibilisierung?
Indem man dem Körper zunächst sehr geringe Mengen des Allergens zuführt und diese Dosen nach und nach steigert, kann man ihn an das Allergen gewöhnen. Eine Hyposensibilisierung kann in Form von Spritzen alle zwei bis vier Wochen oder über die tägliche Einnahme von Tabletten oder Tropfen erfolgen. Bis eine Hyposensibilisierung ersten Erfolg zeigt, vergeht meist ein Jahr. Der volle Erfolg setzt frühestens nach 3 Jahre ein.
Hat die Hyposensibilisierung bei einer Nahrungsmittelallergie Erfolg?
Eine Hyposensibilisierung funktioniert nicht bei allen Menschen. Auch ist diese Methode nicht für alle Allergien geeignet.
Bei Lebensmittelallergien haben Studien bislang kaum Erfolg gezeigt und die Hyposensibilisierung hatte teilweise starke Nebenwirkungen. Insbesondere bei Allergiker:innen, die schon auf kleinste Mengen reagieren, ist die Hyposensibilisierung riskant.
Am meisten Erfolg hat eine Hyposensibilisierung bei Allergien gegen
- Heuschnupfen: Gräser, Getreide, Kräuter und Bäume
- Hausstaubmilben
- Insektengifte: Wespen und Bienen